Therapeutischer Humor

von Dr. Michael Titze

Humor und Witz sind seit langem Gegenstand «ernsthafter» wissenschaftlicher Untersuchungen. Aber erst vor wenigen Jahren haben auch die Psychotherapeuten damit begonnen, die «Heilkraft des Lachens» für ihre Arbeit zu nutzen. Wegbereitend waren dabei die Erfahrungen mit sog. paradoxen Methoden, die inzwischen zum Repertoire vieler therapeutischer Verfahren gehören. Da gewisse psychopathologische Symptome in diesem Zusammenhang als die unbewusste kreative Lösung eines Lebensproblems angesehen werden, werden diese vom Psychotherapeuten durchaus positiv bewertet bzw. sogar «verschrieben». Solche Interventionen wirken nicht nur verblüffend; sie regen in vielen Fällen auch zum Lachen an!

In letzter Zeit wurde erkannt, dass therapeutische Paradoxien nur ein Aspekt der sogenannten Humorreaktion sind. Der Humor lebt insgesamt von Widersprüchen, logischen oder moralischen Normverstössen, Inkongruenzen oder eben Paradoxien. Der Humor bezieht aber auch weitere Aspekte mit ein, die insgesamt therapeutisch wirksam sein können. Diese Aspekte beziehen sich u.a. auf

1. den emotionalen Bereich:

Humor kann dazu verhelfen, Hemmungen aufzulösen und zur Entbindung verdrängter Affekte anzuregen. Wenn Therapeut und Klient miteinander lachen, kann es zu einem unmittelbaren, spontanen Austausch menschlicher Gefühle im Erleben von freizügiger Gleichwertigkeit kommen. Die moderne Lachforschung (= Gelotologie) hat nachgewiesen, dass Heiterkeit und Lachen eine Vielzahl (neuro)physiologischer Prozesse anregen, die sich insgesamt positiv bzw. «heilsam» auf den menschlichen Organismus auswirken (z.B. Förderung des Fettstoffwechsels und der Verdauung, Anregung des Herz-Kreislaufsystems, Stärkung der Immunabwehr, Ausschüttung von luststeigernden «Endorphinen»);

2. den kognitiven Bereich:

Humor kann die Kreativität des Klienten fördern, die Fähigkeit anregen, Probleme zu lösen, so dass neuartige Zusammenhänge hergestellt, Bewertungen relativiert und Entscheidungsprozesse in Gang gesetzt werden können. Damit fördert der Humor eine explorative Haltung gegenüber scheinbar unumstösslichen, normativ festgeschriebenen Handlungsabfolgen. Rigide, defensive Verhaltensmuster können dadurch aufgelöst und durch flexiblere ersetzt werden;

3. den kommunikativen Bereich:

Der Humor stellt ein erfrischendes, entspannendes, originelles und anregendes Kontaktmedium dar. Sofern der Therapeut Humor in einer angemessenen Weise einsetzt, ergibt sich zwanglos ein freundlicher, konstruktiver Umgangston, der zum Entstehen eines positiven Arbeitsbündnisses beiträgt und eine von professionellen Erhabenheitsansprüchen geprägte unpersönliche oder gar verkrampfte Atmosphäre gar nicht erst aufkommen lässt. Der Humor fördert vielmehr Interaktionsweisen, die von Offenheit und Gleichwertigkeit geprägt sind. Innerhalb dieser besonderen Atmosphäre können die entsprechenden (z.B.) paradoxen) Interventionen wirksam zur Anwendung kommen.

Therapeutisch eingesetzter Humor regt einen Prozess des Selbstbestätigung an, indem er dem Klienten dazu verhilft, die entsprechenden humorvollen Botschaften des Therapeuten von sich aus zu decodieren bzw. zu verstehen. Dies geht gewöhnlich mit einer «Aha»-Reaktion einher - als Ausdruck der Empfindung, für ein altes Problem eine neuartige Lösung gefunden zu haben.

Die Geschichte des Therapeutischen Humors.