Pressestimmen zum Thema Humor:


SonntagsZeitung, 11.10.2009

HI HI, HO HO: DEM LACHEN AUF DEN ZAHN GEFÜHLT
Jedes Gelächter hat ein typisches Profil - und beansprucht andere Hirnregionen
Von Ulrike Gebhardt

Jede Lache ist so individuell wie der eigene Fingerabdruck. Doch hinter der Verschiedenartigkeit verbergen sich Regelmässigkeiten: Lachen dauere in der Regel fünf bis sieben Sekunden an, sagt Martin Meyer, Neuropsychologe an der Universität Zürich. Es bestehe aus fünf bis acht «Ausbrüchen», die sich in regelmässigen Abständen wiederholten, und Lachen erfolge immer nur auf einem Vokal (hihihi oder hahaha und nicht hihohi).

In feinen Nuancen unterscheidet sich, ob ein Mensch aus purer Freude, aus Spott, Nervosität, Triumph, Verlegenheit, Schadenfreude oder deshalb lacht, weil er gerade ausgiebig gekitzelt wird. Dabei wird die Botschaft nicht durch einen schlichten Vokalwechsel verschlüsselt, wie es Comics vereinfacht darstellen. Bei Donald Duck und Co. stehen «hahaha» für Freude, «hohoho» für Spott und «h?h h»? für Schadenfreude. Die Sache ist beim Menschen komplizierter, aber durchaus messbar. Das hat ein internationales Forscherteam um Diana Szameitat vom Department für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Tübingen kürzlich herausgefunden.

Die Wissenschaftler nahmen vier verschiedene Lacharten (Freude, Hohn, Kitzellachen, Schadenfreude) von acht Männern und Frauen unter die Lupe. 43 akustische Messgrössen wurden bestimmt, die sich mit der Tonhöhe, dem Tempo und der Lautstärke der Lacher beschäftigten.

Und tatsächlich: Jede der vier untersuchten Lacharten hat ein typisches Profil. Die Zeitabstände zwischen den einzelnen Prustern beim freudigen Lachen etwa sind grösser als bei den anderen Lacharten. Die Ausgangstonhöhe des höhnischen Gelächters ist im Vergleich ausgesprochen tief. Die Schadenfreude nimmt mit ihren akustischen Eigenschaften eine Zwischenposition zwischen Freude und Hohn ein.

Die Freude am Missgeschick des anderen - auf dem die Erfolge beliebter TV-Pannensendungen beruhen - will eine Überlegenheit des Lachers zum Ausdruck bringen. Die Ausgelachten sollen aber nicht ausgegrenzt oder ernsthaft geschädigt werden, wie es bei höhnischem Gelächter beabsichtigt wird.


Das dröhnende Gelächter des Nachbarn zielt auf Gefühle ab

Gelacht wird meistens, um unsere Mitmenschen zu beeinflussen. In vier von fünf Situationen sei das der Fall, sagt Neuropsychologe Meyer. Witze oder humorvolle Einlagen spielen beim Lachen der Erwachsenen
erstaunlicherweise nur eine untergeordnete Rolle. Hinter dem wiehernden Gekicher der Freundin oder dem dröhnenden Gelächter des Nachbarn steckt vielmehr sehr häufig ein Signal, das auf die Gefühle der Zuhörer abzielt.

Bisher umstritten war, ob der Hörer die akustischen Feinheiten herausfiltern und den Grund des Lachens entschlüsseln kann - trotz aller individuellen Lachunterschiede. Er kann, das zumindest sagt Dirk Wildgruber, Leiter der Arbeitsgruppe Affektive Neuropsychiatrie an der Universität Tübingen, der zusammen mit Diana Szameitat Testpersonen die akustischen Aufnahmen der unterschiedlichen Lachtypen vorgespielt hat. In durchschnittlich 63 Prozent der Fälle gelang es allein durch das Hören, auf den Anlass der Heiterkeit zu schliessen, ohne nähere Informationen zur Situation zu bekommen oder die Mimik und die Gesten der Lacher zu sehen.

Die Tübinger Wissenschaftler haben weiter untersucht, ob man den unterschiedlichen Lachtypen beim Hören mithilfe der Kernspintomografie auch eine bestimmte Hirnaktivität zuordnen kann. Tatsächlich spricht das Kitzellachen deutlich andere Regionen im Gehirn an als freudiges oder höhnisches Lachen. Die Unterscheidung dieser emotionalen Lachformen und des Kitzellachens ist anhand der Hirnaktivität auch dann möglich, wenn die Testperson beim Hören dazu angehalten wird, sich bewusst auf etwas anderes zu konzentrieren. Der unmittelbaren Deutung des Lachens kann man sich offensichtlich gar nicht entziehen.

Bewusst beeinflussen kann man es auch nicht, wenn man angesteckt wird, in das Lachen eines anderen mit einzustimmen. Der Zürcher Neuropsychologe Meyer vergleicht dabei das Lachen mit der Musik: beide seien rhythmische akustische Reize, die auf der Ebene des Gehirns ähnliche Bereiche ansprächen. Wenn man einen Rhythmus höre, übertrage sich dieser sofort; man möchte entweder mittanzen oder mitlachen. Das Ziel ist erreicht: den anderen durch das eigene Lachen in eine positive Stimmung zu versetzen.


Viele leiden unter der Angst, ausgelacht zu werden

Doch nicht immer klappt es mit der Gefühlsvermittlung über das Lachen. Nach den Untersuchungen von Willibald Ruch von der Fachgruppe Persönlichkeitspsychologie und Diagnostik an der Universität Zürich kann eine solche chronische Fehlinterpretation sogar krankhafte Züge annehmen. Zehn Prozent der Bevölkerung litten unter einer sogenannten Gelotophobie, der Furcht vor dem Ausgelachtwerden. Diese Menschen können die emotionale Lachbotschaft nicht entschlüsseln. Warum das so ist, weiss man noch nicht.
Die Tübinger Neurowissenschaftler planen aber ein Kooperationsprojekt mit Ruch. Dabei wollen sie herausfinden, ob sich bei den Gelotophobikern andere Hirnaktivitätsmuster beim Hören verschiedener Lachtypen finden lassen. Diese könnten erklären, warum die Betroffenen nicht unterscheiden können, ob «mit» oder «gegen» sie gelacht wird.